Sinusstudie 2012: Leistungsdruck macht Jugendliche zu “Mini-Erwachsenen”

Katharina Looks

Der Leistungsdruck ist für viele Jugendliche heutzutage enorm
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Immer mehr Jugendliche stehen unter hohem Leistungsdruck. Warum das so ist, haben wir für Sie zusammengefasst.

Die Sinusstudie 2012 bestätigt, was vielen Eltern schon klar sein dürfte: Jugendliche von heute stehen unter immensem Leistungsdruck. Nur mit Hilfe von Freunden und Familie gelingt es, dem Stress in der Ausbildung motiviert zu begegnen und sich von unsicheren Wirtschafts- und Arbeitsplatzprognosen nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Die Kids von heute würden unter diesem Druck geradezu in die Rolle von “Mini-Erwachsenen” gedrängt, beschreiben die Forscher. „Die 14- bis 17-Jährigen stehen unter einem enormen Druck”, sagt Marc Calmbach, einer der Autoren der Sinus-Studie (zitiert nach Eltern.t-online).

Unter diesen Zwängen suchten viele Jugendliche Halt im Familienleben und im Freundeskreis. “Grundsätzlich sind Jugendliche aus allen Lebenswelten stärker an Werten wie Sicherheit und Verlässlichkeit interessiert, als früher. Der Grund: Ihr Umfeld wird immer unsicherer”, so eine Zusammenfassung im ARD-Mittagsmagazin.

Das Sinus‐Lebensweltenmodell u18 wurde mit Hilfe von 72 Einzelinterviews und schriftlichen “Hausarbeitsheften” erhoben. Außerdem wurden die Jugendlichen gebeten, ihre Zimmer zu fotografieren.
Aus den Analysen entwickelten die Experten sieben Idealtypen, die “die Jugend von heute” abbilden. SPIEGEL ONLINE und das Factsheet des Sinus-Instituts beschreiben die Typen wie folgt:

  • Die Prekären, die sozial abgehängt sind und sich gern hocharbeiten würden, ohne zu wissen wie. Sie haben schwierigen Startvoraussetzungen, aber eine Durchbeißermentalität.
  • Die materialistischen Hedonisten lieben Konsum und hassen Kontrolle, sind spaß‐ und freizeitorientiert und haben eine traditionelle Familienbindung.
  • Die experimentalistischen Hedonisten, die abseits vom Mainstream ihr Leben spaß‐ und szeneorientiert kreativ im Hier und Jetzt gestalten wollen
  • Die Sozialökologischen sind engagierte Anti-Konsumenten und engagieren sich mit sozialkritischer Grundhaltung und Offenheit aktiv für ihre Überzeugungen.
  • Die Adaptiv-Pragmatischen sind laut Spiegel Online “so etwas wie die angepassten Neo-Spießer”: wohlstandsorientiert und konservativ. Sie orientieren sich an dem, was möglich erscheint und zeigen hohe Anpassungsbereitschaft.
  • Die Konservativ-Bürgerlichen schreiben Selbstdisziplin groß und verzichten auf Selbstentfaltung. Sie stehen für Familien- und Heimatorientierung, Bodenständigkeit, Traditionsbewusstsein und Verantwortungsethik.
  • Die Expeditiven sind die Teenager, die mit Flexibilität, Pragmatismus, Networking und Leistungswillen voller Tatendrang mobil zur Selbstverwirklichung aufbrechen.
„Je höher eine Lebenswelt in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener ist die Bildung und damit die soziale Lage; je weiter rechts sie positioniert ist, desto moderner im soziokulturellen Sinn ist die Grundorientierung“, so die Forscher.
© Sinus Markt- und Sozialforschung 2011

Familie ist wichtig

Aber was bedeutet das für den Familienalltag? Der Leistungsdruck ist zu Hause allgegenwärtig. Immer mehr Jugendliche nehmen in unserer Gesellschaft wahr, dass der Wert eines Menschen an Leistung und Erfolg gemessen wird. Unter diesem Eindruck werden die sozialen Beziehungen zu Freunden und Familie immer wichtiger.

In der Presse wurde die Studie viel beachtet, da sie auch zeigt, dass es wohl keinen starren Generationenkonflikt zwischen Eltern und Jugendlichen mehr gibt, wie etwa in der Nachkriegsgeneration. Die Kinder von heute wachsen in einer Welt auf, die von Technik und Leistungsorientierung geprägt ist. Weder die Familienverhältnisse sind vorhersehbar, noch gibt es Jobgarantien oder vorhersehbare Lebensläufe. Viele Eltern helfen ihren Kindern, wo sie können, um mit den Anforderungen in der Ausbildung Schritt zu halten. Und die Kinder nehmen ihre Hilfe an. Oft zieht die ganze Familie an einem Strang, um das Projekt “Ausbildung und Berufseinstieg” zu wuppen. Bildungsforscher und Soziologe Klaus Hurrelmann sagte der Katholischen Nachrichtenagentur: “Gute Bildungspolitik bindet die Eltern ein, ergänzt und hilft ihnen bei der Erziehung und greift, falls nötig, auch korrigierend ein. Wichtig ist, dass all das nicht gegen, sondern mit den Eltern geschieht, als Erziehungspartnerschaft. Bei uns werden Elternhaus und Schule noch viel zu oft als Konkurrenten wahrgenommen. Eine sinnvolle Kombination aus beidem ist erstrebenswert.” (via Domradio).

Von ihren Schulen wünschen sich die Jugendlichen laut Eltern.t-online kompetente, empathische Lehrer mit Ausstrahlung. Erfolgserlebnisse beim Lernen würden vor allem dann motivieren, wenn der Stoff in lebensnahen Geschichten vermittelt wird. Beispielsweise mithilfe von Songtexten oder Choreografien.

News4Teachers hat einige Pressekommentare mit Überschriften von “Unter Druck” bis zu “Das Ende der Party” zur Studie zusammengestellt. Ein interessantes Interview mit dem Forscher Marc Calmbach brachte der Bayerische Rundfunk.

Die Sinus-Studie wurde von sechs Institutionen gefördert, darunter die Bundeszentrale für politische Bildung und mehrere kirchliche Institutionen.

Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.