Schulen ohne Hausaufgaben – ein Überblick

Katharina Looks

Keine Hausaufgaben – kann das funktionieren? Auch wenn das der Traum vieler Schüler wäre, stehen dem viele Eltern skeptisch gegenüber. Wir haben Schulen ohne Hausaufgaben unter die Lupe genommen. Unser Fazit: Es ist möglich!

Der große Überblick: Schulen ohne Hausaufgaben

Es gibt sie schon: Schulen, die ganz ohne Hausaufgaben auskommen, beziehungsweise die Übungsphase in die Schule holen. Die verschiedenen Konzepte dahinter, möchten wir Ihnen gern vorstellen. Aber Achtung: Auch an Schulen ohne Hausaufgaben kann es sein, dass ein Schüler dann und wann zu Hause üben muss. Vor einem Test Vokabeln zu pauken, noch einmal einen Text zu lesen oder ein Referat vorzubereiten, da kommt in den meisten Fällen keiner drum herum. 

Inhalt dieses Artikels:

Per Klick gelangen Sie direkt zu ausführlichen Informationen.

2. Unterrichtskonzepte (fast) ohne Hausaufgaben

3. Alternative Schulformen (fast) ohne Hausaufgaben

4. Erfahrungsberichte von denen, die es wissen müssen:

Hausaufgaben – warum es viele Gegner gibt

Hausaufgaben sollen den Unterricht ergänzen, das Erarbeitete vertiefen und selbstständiges Lernen fördern. Sie gehören zur Schule wie Ketchup zu Pommes – oder so ähnlich.

Dafür bleibt vielen Schülern jedoch kaum Zeit: „Nach 36 Stunden Schule kommen dann noch die Hausaufgaben. Mit Prüfungen und Referaten, Sport und Musikinstrument kommen sie so auf bis zu 50 bis 60 Wochenstunden“, so Michael Schulte-Marktwort, Kinder- und Jugendpsychiater am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf.

Laut unserer repräsentativen Umfrage wünschen sich 50 Prozent der Kinder eine Schule ohne Hausaufgaben, doch drei Viertel der Eltern sind gegen die Abschaffung. Obwohl sie ihren Kindern mehr Freizeit wünschen würden. Am Ende siegt die Angst, der Nachwuchs könne ohne die Übungen am Nachmittag den Anschluss verlieren, so geht es jedenfalls Christiane Müller, Mutter eines elfjährigen Kindes.

Schule ohne Hausaufgaben – für viele ist sie schon längst vorstellbar

Das Lager der Hausaufgabengegner wächst. Schon seit 1880 fordern sie, den Schülern (und Eltern) unnötigen Stress zu ersparen und die Hausaufgaben abzuschaffen. Forscher der TU Dresden fanden bereits 2008 heraus, dass Hausaufgaben keinen nachweisbaren Einfluss auf die Schulnoten haben. Doch die große Umstrukturierung des Schulsystems blieb aus.

Erst 2015 goss der deutsche Schulpreis erneut Öl ins Feuer: Deutschlands beste Schule, die Gesamtschule Wuppertal-Barmen, gibt keine Hausaufgaben auf – ein Befreiungsschlag für alle Hausaufgabengebeutelten.

Die Schlagzeilen überschlugen sich: Von „Hausaufgaben seien Hausfriedensbruch“, „führen zu sozialer Ungerechtigkeit“ zu „schaden den Schülern“ war fast alles dabei.

Einer der größten Stimmungsmacher gegen Hausaufgaben ist Armin Himmelrath. Für sein Buch „Hausaufgaben – nein danke!“ wälzte er Fachliteratur und führte Interviews. Sein Fazit: Wir brauchen „echte Schulaufgaben“, also Aufgaben, die pädagogisch betreut in der Schule stattfinden. 

1. Unterrichtskonzepte (fast) ohne Hausaufgaben

Ganztagsschulen

Die erste Schulform, an die man denkt, wenn es um Schulen ohne Hausaufgaben geht, ist die Ganztagsschule. Hier geht das Angebot an mindestens drei Tagen in der Woche über den Vormittag hinaus. Hausaufgaben sind an dieser Schulform nicht vorgesehen, beziehungsweise haben die Kinder die Möglichkeit, diese betreut in der Schule zu bearbeiten – das bedeutet: Zuhause = Freizeit.

Damit das klappt, sind ein paar essentielle Strukturen nötig. Entweder ein gut organisiertes Nachmittagsprogramm, das genügend Zeit lässt, in der  Schüler ihre Hausaufgaben selbstbestimmt erledigen können. Oder Lernzeiten in der Schule, die die Hausaufgaben ganz und gar ersetzen. So ist es auch bei Rosa. Hier erzählt sie von ihren Erfahrungen: Meine Schule ohne Hausaufgaben

Worauf legen Sie bei einer Schule wert? Finden Sie es heraus – mit unserer kostenlosen Checkliste zur Schulwahl!

Für diesen zweiten Weg entscheiden sich immer mehr Ganztagsschulen, wie die Gesamtschule Barmen, Schulpreisträger 2015. Auch sie ist eine Ganztagsschule. Anstatt Hausaufgaben gibt es fest im Stundenplan verankerte „Arbeitsstunden“, in denen die Kinder eigenständig und konzentriert Schulstoff vor- beziehungsweise nachbereiten können. Außerdem hat die Schule gute Erfahrungen damit gemacht, die Unterrichtsstunden von 45 auf 65 Minuten zu verlängern, um so den maximalen Lerneffekt aus jeder einzelnen Unterrichtseinheit heraus zu holen.

In Frankreich, Großbritannien und Schweden sind Ganztagschulen weithin üblich. Kleine Übungsaufgaben zu Hause kommen aber trotzdem regelmäßig vor.

Auch wenn sie Hausaufgabenerleichterung versprechen, sollten Eltern das Nachmittagsangebot der Gesamtschulen genau unter die Lupe nehmen. Leider glänzte dieses in letzter Zeit nicht gerade mit guten Schlagzeilen. Gibt es genug Ruhe und Ansprechpartner? Sind die Hausaufgaben überhaupt während der Nachmittagsbetreuung zu schaffen? Vergewissern Sie sich bei einem Schulbesuch, dass das Nachmittagsangebot Ihren Ansprüchen entspricht.

Mehr dazu: 

Flipped Classroom

Ein ganz neues Lehrkonzept kommt aus den USA und heißt Flipped Classroom oder auch Inverted Classroom. Zu Deutsch: umgedrehter Unterricht. Hier werden die Phasen der Inhaltvermittlung und Vertiefung einfach getauscht. Das bedeutet, gelernt wird zu Hause und geübt in der Schule. Hausaufgaben im ursprünglichen Sinne gibt es nicht.

Das funktioniert folgendermaßen: Lerninhalte, die bisher in der Schule im Frontalunterricht erarbeitet wurden, eignen sich die Schüler selbstständig in Heimarbeit an. Hierbei helfen Erklärvideos, die vom Lehrer aufgenommen werden. Die Übungsaufgaben zur Vertiefung, mit denen sich die Schüler normalerweise nach Schulschluss beschäftigen, werden in der Schule bearbeitet – mit Lehrern und Mitschülern als Ansprechpartner in nächster Nähe.

Der Vorteil: Schüler können zu Hause individuell entscheiden, wann, wo und wie oft sie ein Video ansehen wollen – ganz nach ihrem Lerntempo. In der Schule können leistungsstärkere Schüler leistungsschwächere Schüler unterstützen. Der Lehrer nimmt eher eine moderierende Funktion ein und hat ebenfalls die Möglichkeit, auf die einzelnen Schüler besser einzugehen.

Das Flipped Classroom-Konzept stößt in Deutschland auf breites Interesse und wird an einigen Schulen in einzelnen Fächern bereist angewendet.

Mehr zum Thema:

Video: Flipped Classroom – so geht’s:

2. Alternative Schulformen (fast) ohne Hausaufgaben

Daltonplan-Schule

Bestimmte alternative Schulen kommen ebenfalls ohne Hausaufgaben aus. Dazu gehört die Daltonplan-Schule. Ihr pädagogisches Konzept wurde von Hellen Parkhurst (in enger Zusammenarbeit mit Maria Montessori) entwickelt. An Daltonplan-Schulen bekommen die Schüler pro Schuljahr ein Arbeitspaket, das sie selbstständig bearbeiten. Das geschieht vollständig in der Schule. Hausaufgaben gibt es also keine.

Reine Daltonplan-Schulen gibt es in Deutschland aktuell nicht, aber einige Schulen sind an das Konzept angelehnt.

Sudbury-Schule

Kein Lehrplan, keine Klassen, keine Noten, keine festen Zeiten – das ist das Sudbury-Konzept. Auch Hausaufgaben gibt es hier nicht – außer die Schüler wünschen es. Vorreiter dieses alternativen pädagogischen Konzepts ist die Sudbury Valley School eine demokratische Schule in den USA.

Sudbury-Schulen sehen sich als Raum, in dem Kinder ihre Persönlichkeit, Kreativität und ihr Potential frei entfalten können. Wie und mit wem sie ihre Zeit verbringen, ist ihnen selbst überlassen. Die Kinder lernen vor allem voneinander. Auf ihren Wunsch können auch Kurse organisiert werden, dann müssen sich die Schüler aber auch an Termine halten – und es kann sogar Hausaufgaben geben. Grundpfeiler der Sudbury-Schulen sind Demokratie, Recht, Freiheit und Verantwortung. 

Das ursprüngliche Sudbury-Konzept ist mit dem deutschen Schulgesetzt nicht vereinbar. Privatschulen müssen vergleichbare Leistungen wie staatliche Schulen anbieten, bei Sudbury-Schulen sei das nicht der Fall (Quelle: SPON). Sudbury-Schulen, die in Deutschland genehmigt wurden, sind deshalb näher am Schulgesetzt orientiert, als ihr Vorbild in den USA.

Jenaplan-Schule

Zu den Schulen ohne Hausaufgaben gehören auch die meisten Jenaplan-Schulen. Diese alternative Schulform erfreut sich in Deutschland immer stärker werdender Beliebtheit, sodass mehrere staatliche Schulen das pädagogische Konzept des Jenaplans umsetzen. Hausaufgaben sind hier meist nicht nötig, da viele Jenaplan-Schulen Ganztagsschulen sind und der Schultag über den Vormittag hinaus geht. Sollte es doch Hausaufgaben geben, ist ausdrücklich gewünscht, dass Eltern nicht helfen. Nur auf diese Weise können die Lehrer den Leistungsstand ihrer Schüler besser einschätzen und Leistungsdefizite erkennen.

Waldorfschule

Rudolf Steiner, der Gründer der Waldorfschulen, ist ebenfalls eher dem Feld der Hausaufgabengegner zuzuordnen. „Es ist das Allerschädlichste in der Erziehung, wenn immerfort Aufträge erteilt werden, die nicht ausgeführt werden“, so Steiner. Kinder sollen das, was sie machen, aus Lust und Überzeugung tun. Deshalb hält er nichts von Zwangshausaufgaben. An der Waldorfschule sollen die Kinder zum freiwilligen Arbeiten, auch zu Hause, ermutigt werden. Deshalb wird an vielen Waldorfschulen sehr sparsam mit Hausaufgaben umgegangen. Es liegt im Ermessen der Lehrer, den Kindern Arbeitsaufträge aufzugeben. Diese sind aber in der Regel anders gestaltet als die Hausaufgaben, die man von Regelschulen kennt. Die Kinder werden vor allem angeregt, sich am Nachmittag aus eigenem Interesse mit einem Thema auseinanderzusetzen.

Mehlhornschule / BIP Kreativitätsschule

Eine weitere alternative Schule ohne Hausaufgaben ist die Mehlhornschule oder auch BIP Kreativitätsschule. Eine Schulform, die sehr stark auf die ganzheitliche Förderung ihrer Schüler abzielt und neben dem staatlichen Lehrplan, viele weitere Fähigkeiten und die Persönlichkeit ihrer Schüler fördern will. Kernzeiten an der Mehlhornschule sind meist zwischen 8 und 16 Uhr. Hier bleibt der Schulranzen unter der Woche in der Schule und alle Aufgaben werden unter pädagogischer Betreuung fertiggestellt.

Laborschule / Versuchsschule

Wie sieht die perfekte Schule aus? Das herauszufinden, ist das große Ziel einer Laborschule. Hier wird pädagogische Forschung betrieben, und zukünftige Pädagogen werden ausgebildet. Auch diese Schule kommt ohne Hausaufgaben aus.

Die bekanntesten unter ihnen sind die Laborschule der Uni Bielefeld und die Laborschule Dresden. Sie sind Ganztagsschulen und bieten genug Zeit und Raum, Wissen innerhalb der Schulzeit zu vertiefen. In der Laborschule Bielefeld sind die Unterrichtseinheiten dafür von 45 Minuten auf 60 Minuten verlängert wurden. Die Laborschule Dresden unterrichtet nach dem Jenaplan-Konzept, das viel Freiarbeit beinhaltet.

Schüler einer Laborschule sollen nicht einfach belehrt werden, sondern anhand ihrer Erfahrungen lernen. Dafür werden ihnen viele Freiräume und “Lerngelegenheiten” gegeben. Projektarbeit und Wahlpflichtkurse geben den Schüler die Möglichkeit, ihre Interessen auszuleben. Gelernt wird alters- und leistungsübergreifend.

Kennen Sie noch mehr Schulen ohne Hausaufgaben? Kommt die Schule Ihres Kindes vielleicht ohne Hausaufgaben aus und hat dafür einen ganz eigenen Weg gefunden? Oder sind Sie ganz klar für die Erteilung von Hausaufgaben? Verraten Sie und Ihre Gedanken zum Thema hier in den Kommentaren!

Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.