Ist mein Kind schulreif?

Katharina Looks

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Ob ein Kind reif für die Schule ist, hängt nicht nur davon ab, ob es schreiben und zählen kann.

Lena ist erst 5, kann aber schon schreiben und bis 100 zählen. Ist sie damit bereit für die Schule? Nicht unbedingt. Wir erklären, worauf es beim Thema Schulreife ankommt.

Der Beginn der Schulzeit ist eine große und einschneidende Veränderung im Leben von Kindern, die sie vor viele Herausforderungen stellt. Sie müssen in einer neuen Umgebung mit vielen neuen Menschen, einem veränderten Tagesablauf und vielen weiteren Anforderungen zurechtkommen. Viele Eltern fragen sich: Ist mein Kind schon schulreif und bereit dafür? Wir erklären, wie das festgestellt wird und welche Möglichkeiten Eltern haben, wenn sie ihr Kind frühzeitig einschulen lassen wollen oder zurückstellen wollen.

1. Einschulung: Wann ist mein Kind schulreif?

In Deutschland herrscht die allgemeine Schulpflicht, das heißt, jedes Kind muss eine Schule besuchen – auch unabhängig von Nationalität oder geistiger und körperlicher Entwicklung.

Wann ein Kind schulpflichtig wird, bestimmt die sogenannte Stichtagsregelung: Jedes Kind, das vor einem bestimmten Datum geboren wurde, gilt als schulpflichtig. Den Stichtag legen die Bundesländer einzeln fest, in Hamburg sind im Moment beispielsweise alle Kinder schulpflichtig, die vor dem 1. Juli ihr sechstes Lebensjahr vollendet haben, in Berlin diejenigen, die bis zum 30. September sechs werden.

Vor Beginn der Schule findet die sogenannte Schuleingangsprüfung statt. Bei diesem Einschulungstest wird überprüft, ob die Kleinen bereit für die Schule sind – nicht um zu abzuklopfen, was die Kids schon können, sondern um frühzeitig zu erkennen, wenn ein Kind noch Förderung benötigt. Was genau dort getestet wird, ist wieder von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Dem untersuchenden Arzt aber auch Eltern geben insgesamt aber folgende Dinge darüber Aufschluss, ob ein Kind schulreif ist:

Generelle körperliche Entwicklung

Wie auch bei den U-Untersuchungen wird überprüft, ob die Körpergröße und das Gewicht des Kindes im Normbereich liegen, es also körperlich in etwa vergleichbar mit anderen Gleichaltrigen entwickelt ist. Ist das Kind groß und schwer genug? Außerdem werden ebenfalls das Seh- und Hörvermögen getestet und der Impfausweis auf Lücken geprüft.

Auch die motorische Entwicklung ist für Kinder wichtig.
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Motorische Entwicklung und Koordination

Neben der generellen körperlichen Entwicklung gibt auch Entwicklung der Grob- und Feinmotorik von Kindern Aufschluss darüber, ob es schon schulfähig ist. Kann Ihr Kind zum Beispiel problemlos auf einem Bein stehen und hüpfen, auf einer Linie vorwärts- und rückwärtsgehen oder einen Ball fangen und werfen?

Eine altersgemäß entwickelte Feinmotorik ist unter anderem wichtig für das Schreiben lernen: Kann das Kind einen Stift richtig halten und malt nicht mit der Faust? Kann es Linien nachziehen und etwas ausmalen, ohne stark über Rahmenlinien hinaus zu malen? Kann es sicher mit einer Schere umgehen?

Sprachliche Entwicklung

Grammatikalisch vollkommen korrekt sprechen muss kein Kind bei der Einschulung. Wichtig ist vielmehr, dass es deutlich sprechen kann, die richtigen Laute verwendet und zusammenhängende Sätze bilden kann.

Grundlegende kognitive Fähigkeiten

Wenn ein Kind schon vor der Schule schreiben oder rechnen kann, ist das natürlich wunderbar. Aber: Es nicht ausschlaggebend dafür, ob das Kind schulreif ist und bereit, schulische Inhalte zu lernen. Vielmehr ist es wichtig, dass es die Grundlagen für das Erfassen dieser Inhalte gegeben sind: Das sind Dinge wie Merkfähigkeit, das Erkennen von Zusammenhängen, und die Fähigkeit Dinge vergleichen, sortieren oder zuordnen zu können. Zum Beispiel: Welche Menge ist kleiner, welche größer? Welche abgebildeten Dinge sind Früchte und gehören zu Obst?

Soziale Entwicklung

Oft vergessen, aber immens wichtig ist die soziale Entwicklung eines Kindes, wenn es darum geht, ob es schulreif ist. Denn: Es verbringt einen großen Teil des Tages mit einer Vielzahl von Kindern in ganz unterschiedlichen Gruppensituationen. Kann es mit anderen Kindern umgehen, sich in die Gruppe integrieren? Kann es sich auch mal zurücknehmen und warten, bis es an der Reihe ist? Wie geht das Kind mit Streit um, kann es zum Beispiel kleinere Konflikte selbstständig lösen?

Emotionale Entwicklung und Selbstständigkeit

Neben der sozialen ist auch die emotionale Entwicklung ein sehr wichtiger Baustein, um die Schulfähigkeit eines Kindes zu erkennen. Emotionale Stabilität und Selbstständigkeit sind nämlich wichtige Faktoren, um mit den Anforderungen des Schulalltags gut zurecht zu kommen. Kann das Kind sich von den Eltern lösen? Kann es selbstständig Dinge erledigen?

Ist das Kind in der Lage, längere Zeit still zu sitzen und sich zu konzentrieren? Kann es mit neuen Anforderungen umgehen und ist es bereit, sich anzustrengen? Auch die Fähigkeit, mit Fehlern und Niederlagen umzugehen, ist wichtig.

Ist Ihr Kind reif für die Schule? Auch die soziale Entwicklung und Selbstständigkeit sind wichtig.
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Schulreife: Der Gesamteindruck zählt

Für die Beurteilung der Schulreife müssen die verschiedenen Entwicklungsbereiche insgesamt und im Zusammenspiel betrachtet werden. Besonders die soziale und emotionale Entwicklung sind wichtige Faktoren, die entscheidend sein können, wenn es darum geht, mit den Herausforderungen des Schulalltags zurechtzukommen. Denn auch ein sprachlich gewandtes oder besonders wissbegieriges Kind kann emotional oder sozial noch nicht schulreif sein.

2. Schulpflicht und Schulfähigkeit: Frühzeitig einschulen oder zurückstellen

Wie oben bereits erwähnt: In Deutschland herrscht Schulpflicht. Jedes Kind muss also früher oder später in die Schule gehen. Generell orientiert sich der Zeitpunkt am Geburtsdatum der Kids (der sogenannte Stichtag). Nachdem sich aber die kindliche Entwicklung nicht bei jedem an den gleichen Zeitplan hält, kann es sein, dass ein Kind schon vor seinem sechsten Geburtstag vollkommen schulreif ist. Oder erst weit danach. Welche Möglichkeiten haben Eltern dann?

Früher einschulen

Auch Kinder, die erst nach dem Stichtag sechs werden, können eingeschult werden – vorausgesetzt, sie sind schon schulfähig. Je näher das Geburtsdatum des Kindes am festgelegten Stichtag liegt, desto einfacher ist das: Bei nur wenigen Wochen Unterschied reicht oft ein formloser Antrag der Eltern bei der Schule; ist der Unterschied größer, muss in der Regel ein Gutachten über die Schulreife vorgelegt werden. Ein solches Gutachten kann ein Schularzt oder der schulpsychologische Dienst erstellen. Meist entscheidet der Schulleiter unter Einbezug eventueller Gutachten über den Antrag.

Zurückstellen

Ein Kind zurückzustellen ist dagegen schwieriger: Nur bei schwerwiegenden Gründen wie etwa einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung werden Kinder in einigen Bundesländern für ein Jahr zurückgestellt. Auch hier entscheidet in der Regel der Schulleiter der zuständigen Schule unter Einbezug der schulärztlichen Empfehlung und häufig auch der Ansicht der Eltern. In einigen Bundesländern ist eine Zurückstellung überhaupt nicht möglich oder teilweise durch die Möglichkeit einer Beurlaubung ersetzt. Statt des regulären Schulbesuchs kann außerdem die Teilnahme an einer Maßnahme zur Förderung der Schulreife verpflichtend sein, wie etwa der Besuch einer Vorschulklasse.

Letztendlich können Eltern am besten einschätzen, ob ihr Kind schon schulreif ist, oder nicht. Aber auch Erzieher, die viel Zeit mit ihrem Kind verbringen oder aber das Kind behandelnde Ärzte können helfen, eine Entscheidung zu treffen. Dabei müssen Eltern keine Scheu haben, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Manche Kinder sind bereits mit fünf reif für die Schule, andere brauchen vielleicht trotz anstehender Schulpflicht eigentlich noch mehr Zeit. Wenn Karlotta aus dem Nachbarhaus also bereits mit fünf in die Schule kommt, muss ihr Freund Ben das noch lange nicht. Die Entscheidung sollte ganz individuell getroffen werde, denn: Jedes Kind ist einzigartig.

Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.