Kolumne zum Thema Kind und Karriere: I put the „vereint“ in „Vereinbarkeit”

Katharina Looks

Béa Beste hat es geschafft, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Dabei ging es für sie nie darum, alles irgendwie miteinander zu vereinbaren, sondern Vereinbarungen mit anderen zu treffen. Ein Erfahrungsbericht.

13.05.2015

Vereinbarkeit beginnt im Kopf, habe ich mir schon immer gedacht. Genauso wie jeder, der das liest, bin auch ich geprägt durch das Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin.

Die Bilder der Kindheit tragen wir im Bewusstsein ein Leben lang

In der rumänisch-französischen Community, in der ich im Bukarest der 70er und 80er Jahre aufwuchs, waren uns schon im Kindergartenalter die Mütter suspekt, die „nur“ zu Hause waren. Indiskutabel für uns Kinder: Sie achteten darauf, was wir mittags aßen und mit wem wir draußen spielten, und maulten, dass wir die Hausaufgaben machen sollten. Da waren uns die Omas lieber, die konnte man leichter austricksen. Und die Mütter, die arbeiteten, waren sowieso cooler. Ich bin aufgewachsen mit dem inneren Leitbild, dass gute Eltern arbeiten und dass die Kinder werktags sich selbst und den Großeltern überlassen werden.

Kind und Karriere: Ein gemeinsames Verständnis in der unmittelbaren Familie ist wesentlich

Als ich Mutter wurde, mitten im Studium, war mir klar, dass es mit guter Betreuung und starkem Willen weitergeht – obwohl ich da meinem Baby keine Großeltern meinerseits zu bieten hatte, denn meine Mutter und meinen Vater hatte ich früh verloren.

Meine angeheiratete Familie war im Allgemeinen eher südwestdeutsch und kleinstädtisch geprägt, aber in dieser Hinsicht doch sehr fortschrittlich: Meine damalige Schwiegermutter war eine couragierte Unternehmerin, die mit ihrem Mann zusammen in den 50ern eine ganze Schmuckfabrik aufgebaut hat – Babytrage im Betrieb inklusive. Sie sicherten mir Hilfe zu und lösten das Versprechen auch ein, trotz einer Wohndistanz von 800 km.

„It takes a village to raise a child“, sagt man in Afrika. Es stimmt.

Das war nur der Anfang meines Erziehungs-„Vereins“: Tagesmütter waren knapp in Berlin, zum Weiterstudieren habe ich mich mit zwei anderen Frauen mit Babys organisiert: Ich hatte an zwei Tagen pro Woche ca. 7 Stunden lang 3 Kinder bei mir, an drei Tagen konnte ich unbegrenzt zur Uni gehen, bis abends. 

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Auch ein Teilzeit-Modell. Als ich später zu arbeiten anfing, war mir klar: Ich will 100 % arbeiten, etwas anderes kommt nicht infrage. So habe ich gleich im Bewerbungsgespräch gesagt, dass ich ein Modell brauche, bei dem ich flexibel arbeiten kann, inklusive abends und am Wochenende. Das war damals bei SAT.1 möglich. Wir haben uns geeinigt, dass ich zu allen Meetings und Besprechungen da sein muss – alles andere konnte ich flexibel handhaben. So teilte ich mir die Woche mit meinem (inzwischen Ex-)Mann: Ja, mein Kind hatte zwei Orte, an denen es wohnte. Wir haben mit Nachbarn und anderen „Mit-Eltern“ ein Rotationsprinzip aufgebaut, so dass jeder von uns mal einen Nachmittag hatte, an dem er auf mehrere Kinder aufgepasst hat, und dann wieder ganz viele Nachmittage „frei“ – natürlich frei zum Arbeiten.

Als mein Kind 10 Jahre alt war, nahm ich einen neuen Job bei der Boston Consulting Group an, Top-Management-Beratung, bekannt dafür, dass die Berater meistens die ganze Woche weg sind. Auch dort konnte ich einen Sondervertrag verhandeln, bei dem ich mehr Freiheit bezüglich Reisezeiten hatte. Zwei Wochen, nachdem ich diesen Vertrag unterschrieben hatte, teilte mir der Vater meines Kindes mit, dass er in eine andere Stadt ziehen würde. Ich holte tief Luft und organisierte um: Teilweise bezahlte ich eine Nanny dafür, bei meiner Tochter zu sein, teilweise verbrachte meine Tochter die Nächte bei Freunden – die wiederum ganz froh waren, wenn ich ihre Kinder am Wochenende oder in den Ferien nehmen konnte. Ich hatte inzwischen fast so etwas wie eine „Kinderbetreuungskooperative“ aufgebaut.

Vielleicht geht es nicht um Vereinbarkeit von Kinder und Karriere – sondern um Vereinbarungen unter Menschen

Ich kann noch viele Details erzählen, aber das Wesentliche ist, dass ich alle Menschen einspannte, die sich einspannen ließen. Und dass ich dann mit gutem Gewissen selbst auf eine Meute von Kindern aufpasste – so kann man auch das Einzelkind-Thema lösen, habe ich mir gedacht. Ich war geschieden, aber nie alleinerziehend.

Ich musste nicht meine Karriere und meine Familie irgendwie miteinander „vereinbaren“ – sondern ich musste mit anderen Menschen Vereinbarungen treffen, damit das, was ich wollte, funktionierte. Wir haben es in einer kleinen Gemeinschaft geschafft, dafür „vereint“ zu sein.

PS: Ich bin mit allen Menschen, mit denen ich mein Kind gemeinsam erzogen habe, noch immer gut befreundet. Unsere Kinder haben sich gut entwickelt, studieren und sind selbst miteinander in sehr schönen Freundschaften verwoben. Ich wüsste von keinem der Beteiligten, der aus diesem Modell eine Macke mitgenommen hätte. Ganz im Gegenteil: Wir leben unsere tollen Freundschaften weiter aus und würden uns als Großeltern nochmal genauso organisieren.

Eine Kolumne von Béa Beste

Über Béa Beste

Bildungsunternehmerin © Béa Beste Béa Beste ist Bildungsunternehmerin und Mutter einer großen Tochter, die sich schon im Studium befindet. Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin plädierte Béa Beste als Expertin im Bereich „Wie wollen wir lernen?“ für eine Lernkultur der Potenzialentfaltung und mehr Heiterkeit in der Bildung. Béa gründete 2006 die bilingualen Phorms Schulen. Nach sechs Jahren als CEO ging sie 2011 auf Bildungsexpedition durch Indien, Australien, Indonesien und die USA. Inspiriert von internationalen Bildungsinnovationen entwickelte sie das Playducation Konzept: Was wäre, wenn sich Lernen wie Spielen anfühlt? Leider setzte sich das Produkt, die monatliche Tollabox mit Materialien und Ideen für Familien mit Kindern ab drei Jahren, nicht am Markt durch, sodass Béa derzeit neue Ideen entwickelt, um das Konzept digital umzusetzen. Sie führt den Kreativ-Blog der Tollabox als ‘Tollabea’ weiter

Webseite: www.tollabea.de

Twitter: @TOLLABEA | twitter.com/TOLLABEA

Die Kolumne “Die Elternflüsterer”

Im Wechsel flüstern der Journalist Christian Füller und Bildungsunternehmerin Béa Beste den Eltern Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens ins Ohr. 

Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.